Lokallust Dorsten - page 10

„Awkward Moment“. Wieder
eine dieser englischen Formu-
lierungen, die nicht vernünftig
ins Deutsche übersetzt werden
können und deswegen zum
Anglizismus werden. Was man
schlicht mit „Peinlicher Mo-
ment“ übersetzen könnte, ist
im Ursprung viel tiefgründiger
und präziser. Man muss schon
ein paar deutsche Adjektive
mehr aufwenden, um zumin-
dest „awkward“ treffend zu
übersetzen.
„Unbeholfener
Moment“,
„falscher Moment“, „heikler
Moment“, „missliche Situa-
tion“; das ist alles schon ein
bisschen mehr als „peinlich“
und kann im Englischen unter
einem Wort zusammengefasst
werden. Ich finde das faszi-
nierend. Das rührt daher, dass
ich oft in genau solche Lagen
gerate. Ich drehe im Moment
einen Film (weitere Informa-
tionen weiter hinten im Heft),
für den ich auch das Drehbuch
geschrieben und dafür echte
Begebenheiten aus meinem
Leben verwurstet habe. In einer
Szene verabschieden sich zwei
sehr unterschiedliche Pärchen,
die sich erst kurze Zeit vorher
kennengelernt und gemeinsam
zu Abend gegessen haben.
Sie alle, und da kommen mei-
ne persönlichen Erfahrungen
ins Spiel, wissen nicht recht,
wie sie sich nun verabschie-
den sollen. Für einen einfachen
Händedruck haben sie sich zu-
vor zu gut verstanden und auch
schon zu lange unterhalten, für
eine Umarmung kennen sie sich
eigentlich noch nicht lange ge-
nug. Was folgt, ist eine unange-
nehme Mischung aus angefan-
genem Händedruck (aber bloß
nicht über Kreuz bei mehr als
zwei Personen), aus versuchter
Umarmung und einfach sehr
viel ungelenkem Armausgestre-
cke und Angefasse, das dann
am Ende nichts Halbes und
nichts Ganzes und erst recht
keine Umarmung und kein Hän-
dedruck ist.
So ähnlich geht es mir auch
immer, wenn ich Leute um-
arme, die einen Rucksack auf
dem Rücken tragen. Ich bin
meistens sogar sehr verwirrt,
weil ich nicht weiß, ob ich hin-
ten den Rucksack umarmen
oder doch besser in diese
warme, immer etwas schwit-
zige Fläche zwischen Rucksack
und Rücken greifen soll. Bei
Letzterem hätte ich zumindest
den Eindruck, eine Person zu
umarmen und nicht den Ruck-
sack.
Und für genau diese Situa-
tionen gibt es den englischen
Ausdruck „Awkward Moment“,
der so schön treffend ist, für
alles Unbeholfene, Peinliche,
Umständliche und Groteske.
Im Englischen gibt es üb-
rigens auch eine treffende
Bezeichnung für die Unter-
bringung solcher Ereignisse in
Drehbüchern oder überhaupt
in erzählten Geschichten. Un-
ter „Cringe Comedy“ versteht
man Szenen wie die oben be-
schriebene Umarm-Katastro-
phe, die für die beteiligten Per-
sonen zwar unschön sind, fürs
Publikum aber großen Unter-
haltungswert bieten. „Cringe“
heißt „erschaudern“. Wörtlich
übersetzt ist die „Erschauder-
komik“ also wieder um einiges
unpräziser als der originale
englische Ausdruck.
Nach diesem Sommer voller
Cringe-Wetter wünsche ich Ih-
nen einen awkwardmoment-
freien Herbst.
Fritz
Fritz Schaefer (Jahrgang 1997)
ist leidenschaftlicher Beo-
bachter und Belauscher. Der
gebürtige Dorstener teilt sei-
ne Gedanken und Erlebnisse
monatlich in der Lokallust
mit. Lustig, charmant und be-
stimmt auch kritisch. Neben
seinen Hörspiel- und Filmpro-
jekten arbeitet er für verschie-
dene Verlagshäuser und Rund-
funkanstalten. Die Universität
Witten/Herdecke machte ihn
2015 zum „Pfad.finder“-Sti-
pendiaten. Seit 2016 ist er Mit-
glied der Grimme-Preis-Jury.
Die Fritz-Kolumne ist zu-
sätzlich immer online hörbar
– als Pommes-Soko-Erfinder
und
Ex-Mike-Litt-Praktikant
hat der Autor ein Faible für das
gesprochene Wort. QR-Code
scannen oder unter lokal-
lust.de anhören. Leserpost:
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