Lokallust Dorsten - page 8

Supermärkte sind ein Faszi-
nosum für mich. Das zeigt sich
schon allein darin, dass ich
mal ein ganzes Hörspiel über
den Mikrokosmos Supermarkt
geschrieben habe. Besonders
begeistern mich Frischetheken.
Frischetheken sind fantastisch.
Auch in meinem Hörspiel gab
es eine Frischetheke, geleitet
vom Ehepaar Weberlurst (hihi-
hi, Wortspiel, hihihi!).
Die üppige Auswahl an
Fleisch, Fisch und Käse, die
Sonderangebote, die kleinen
Extra-Services, vor Ort pro-
bieren, die Mortadella- oder
Fleischwurstscheiben, die man
als Kind bekommen hat (sehr
gewieft!) und vor allem: Die Kli-
entel.
Manchmal denke ich mir
schnell etwas aus, das ich
noch brauchen könnte, nur um
mich in die Schlange an der Fri-
schetheke stellen zu können.
Ich rede mir also ein, dass ich
unbedingt ein Pfund Rinder-
hack benötige, nur um die Ge-
spräche zwischen den Kunden
und der Bedienung mithören
zu können. „Halbes Pfund Hal-
bundhalb, bitte!“ – „Darf’s auch
etwas mehr sein?“ – „Ja, ger-
ne, tun Se ruich nochma nen
Schlach!“ Nur wegen der Fri-
schethekenkultur hierzulande
weiß ich noch, was ein Pfund
in Kilogramm ist. Ansonsten
wäre mir diese alte Einheit völ-
lig fremd.
Diese verbalen Rituale sind
für alle Beteiligten sehr wich-
tig. Ich finde mich auch immer
selbst ganz großartig, wenn
ich auf der Waage sehe, dass
ein paar Gramm zu viel aufge-
tan wurden und ich dann sage:
„Kein Problem, in Wirklichkeit
wollte ich auch 513 Gramm Rin-
derhack“, wohlwissend, dass
ich die 13 Gramm extra natür-
lich auch zahlen muss. Aber es
macht Spaß, so jovial zu sein an
der Frischetheke.
Wenn ich innerhalb Deutsch-
lands verreise, gehe ich bei
Gelegenheit immer in einen alt-
eingesessenen Supermarkt mit
Frischetheke und überprüfe die
Gegebenheiten dort. Ein ver-
lässliches Highlight sind die Le-
bensmittel- und Gesprächsan-
gebote auch dort. Aber sie un-
terscheiden sich natürlich von
unserem westfälisch geprägten
Dorstener
Ruhrgebietsslang.
Ein Spruch ist allerdings immer
gleich. Auch deswegen ist er
mein Lieblingsspruch. Er wird
vornehmlich von älteren Herr-
schaften in einer je eigenen Art
vorgetragen. Zuerst kommt der
Name des gewünschten Auf-
schnitts oder etwas anderem,
das man in Scheiben schneiden
lässt, dann folgt, manchmal
im kumpelhaften Befehlston,
manchmal herrisch, manchmal
kleinlaut und schüchtern und
manchmal aristokratisch-höf-
lich: „Aber bitte dünn geschnit-
ten!“
Diese Art zu bestellen ist aus
meiner Sicht ziemlich geheim-
nisumwittert. Wieso bestellt
man möglichst wenig, von et-
was, das einem offenbar gut
schmeckt? Warum ist dieser
Wunsch so weitverbreitet? Wie
schaffen die Mitarbeiter der
Fleischtheke es, so hauchdün-
ne Scheiben zu schneiden?
Vielleicht können Sie mir
weiterhelfen. Ich erwarte sehn-
lichst Ihre Nachrichten: kolum-
Aber bitte dünn geschrieben!
Fritz
Fritz Schaefer (Jahrgang 1997)
ist leidenschaftlicher Beo-
bachter und Belauscher. Der
gebürtige Dorstener teilt sei-
ne Gedanken und Erlebnisse
monatlich in der Lokallust. Lu-
stig, charmant und bestimmt
auch kritisch. Neben seinen
Hörspiel- und Filmprojekten
arbeitet er für verschiedene
Verlagshäuser und Rundfunk-
anstalten. Die Universität Wit-
ten/Herdecke machte ihn 2015
zum „Pfad.finder“-Stipendi-
aten. Seit 2016 ist er Mitglied
der Grimme-Preis-Jury.
Die Fritz-Kolumne ist zu-
sätzlich immer online hörbar
– als Pommes-Soko-Erfinder
und
Ex-Mike-Litt-Praktikant
hat der Autor ein Faible für das
gesprochene Wort. QR-Code
scannen oder unter lokal-
lust.de anhören. Leserpost:
Aber bitte dünn geschnitten
8
©photocrew/
Fotolia.com
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...64
Powered by FlippingBook