Helfer Shuttle 3.0

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Das Camp ist Geschichte - die Hilfe für das Ahrtal geht weiter

Es war eine der größten Hilfsaktionen für die Menschen im Ahrtal, die organisiert wurde: das Helfer Shuttle Camp in Grafschaft-Ringen. Nach der verheerenden Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli des vergangenen Jahres schafften Marc Ulrich, der das Helfer Shuttle ins Leben rief, und Thomas Pütz zunächst in kleiner Form, Shuttle-Verbindungen von freiwilligen Helfern zu den Betroffenen in den unterschiedlichsten Orten im Tal. Doch dank der Sozialen Medien und auch durch die Unterstützung der Presse wurde schnell klar, dass die Idee der beiden Unternehmer durch die Decke geht. Wir haben uns mit Marc Ulrich zum Interview verabredet, nicht nur um zurückzublicken, sondern auch um über das Helfer Shuttle 3.0 zu sprechen.

Lokallust: Hallo Marc, schon seit mehreren Monaten unterstützt die Lokallust mit unterschiedlichen Unternehmern aus Dorsten das Helfer Shuttle mit redaktionellen Berichten. Nun geht es in eine neue Phase. Dazu aber später mehr. Wie entstand eigentlich die Idee des Helfer-Shuttles?

Marc Ulrich: Direkt am Tag nach der Katastrophe war ich im Tal unterwegs und habe bei Freunden und Verwandten geholfen. Dadurch bekam ich das Dilemma hautnah mit und sah, dass hier unendlich viele Helferinnen und Helfer benötigt werden. Ich stellte mir selbst die Frage, was ich denn tun könnte. Meine Stärken liegen ganz klar im Bereich Organisation. Am kommenden Tag verfolgte ich das Chaos, welches durch die vielen Autos der anreisenden freiwilligen Helfer entstand. Die Infrastruktur war ja in vielen Orten total zerstört und so musste es zwangsläufig ein Verkehrschaos geben. Daher kam mir die Idee, die Helfer von einem Ort etwas abseits des Tales per Shuttle-System zu den unterschiedlichen, ebenfalls strukturierten Einsätzen zu bringen. Drei Tage nach der Flut brachten wir die ersten 300 Freiwilligen vom Innovationspark Grafschaft-Ringen ins Tal. Zwei Tage später stand dann Thomas Pütz vor mir und brachte weitere Busse mit, wodurch wir noch mehr Personen bewegen konnten.

Lokallust: Wart ihr eigentlich auch selbst betroffen?

Marc Ulrich: Unsere Privathäuser waren nicht betroffen, aber Thomas’ geschäftlicher Schaden, er betreibt mehrere Sanitätshäuser im Tal, war erheblich. Ich war mit meiner Werbeagentur nur mit einer Dependance betroffen.

Lokallust: Wie habt ihr denn die Kommunikation aufgebaut und wie entwickelte sie sich?

Marc Ulrich: Ganz klar standen im ersten Schritt die Sozialen Medien im Vordergrund. Zunächst lief alles über meine privaten Accounts. Drei meiner Mitarbeiter arbeiteten an der Kommunikation über meine Accounts, das konnte ich alleine gar nicht bewältigen. Nach zehn Tagen wurde dann die Seite vom Helfer-Shuttle scharf gestellt, die wir selbstverständlich auch mit den Sozialen Medien verknüpften. Später berichteten dann die ersten Zeitungen, das Radio oder auch Magazine, so wie ihr. So wuchs die Community schnell und rasant an. Alleine 30.000 Follower standen auf Facebook mit uns im Austausch. Am Ende hatten wir 15.000 Menschen in unserem E-Mail Verteiler. Das sind schon gewaltige Zahlen!

Foto oben rechts: Marc Ulrich (l.) und Thomas Pütz organisierten das Helfer Shuttle im Ahrtal. Aus einer Idee wurde eine der ganz großen Hilfsaktionen für die Menschen im Ahrtal. Über 125.000 Helferinnen und Helfer wurden in rund zehn Monaten vom Camp im Innovationspark Grafschaft-Ringen ins Tal und wieder zurückgebracht.

Lokallust: Wie viele Helferinnen und Helfer waren denn von Mitte Juli 2021 bis Ende Mai über euch organisiert im Ahrtal im Einsatz?

Marc Ulrich: Wir haben ja immer über helfende Hände gesprochen. 250.000 Hände, also 125.000 Menschen. In der Spitze haben wir rund 3.500 Helferinnen und Helfer am Tag ins und aus dem Tal geshuttlet.

Lokallust: Wer jemals vor Ort war, staunte, was da alles auf die Beine gestellt wurde. Wie konnte das eigentlich organisatorisch alles klappen?

Marc Ulrich: Eigentlich relativ einfach. Bei uns hat jeder das gemacht, worin seine Stärken lagen. Der eine betreute das Werkzeugzelt, da er sich damit auskannte, der andere betreute die IT, weil er den Bereich perfekt beherrschte und der Nächste machte wieder etwas anderes, was seinen Fähigkeiten entsprach. Nur so konnten wir die Infrastruktur aus dem Nichts erschaffen, jeder andere Weg wäre vermutlich im Chaos geendet. Am Ende hatten wir sogar eine eigene Schmiede. Hier wechselten sich unterschiedliche Schmiede damit ab, in der Nacht zum Beispiel Stemmeisen wieder spitz und scharf zu schmieden. Es war gigantisch, was uns hier gelungen ist.

Lokallust: Welche Arbeiten haben die Helfer übernommen?

Marc Ulrich: Wir haben uns klar für den Weg des Rückbaus entschieden: Schlamm entfernen, entrümpeln, Putz abschlagen oder ähnliche Arbeiten. Dazu kam die Unterstützung der Weinbauer. Ohne die Hilfe hätte es im letzten Jahr keine Weinernte gegeben und viele Existenzen wären zerstört gewesen. Im Bereich Aufbau haben wir dann in diesem Frühjahr die Aktion „Wir machen grün. Wir machen schön. Wir machen bunt.“ ins Leben gerufen. Dabei wurden Gärten neu bepflanzt, Rollrasen verlegt und auch öffentliche Plätze wieder bunt gemacht.

Lokallust: Warum wurde das Camp in Grafschaft-Ringen zum 31. Mai geschlossen?

Marc Ulrich: Es lohnte sich nicht mehr, die große Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Es kamen zum Schluss immer weniger Helferinnen und Helfer, aber auch immer weniger Anfragen von Betroffenen. Man muss den richtigen Zeitpunkt finden und der war für uns jetzt gekommen. Auch die Menschen im Tal müssen mal zur Ruhe kommen. Aber wir lassen sie nicht alleine!

Lokallust: Ihr habt das Helfer-Shuttle 3.0 ins Leben gerufen.

Marc Ulrich: Genau. Wir bringen nun die Betroffenen mit Helferinnen und Helfern über unsere Website direkt miteinander in Verbindung und sind auch weiterhin mit einem Projektbüro vertreten. Wir stehen Mit den Hilfesuchenden stehen wir im engen Austausch. Nur so können wir erfahren, ob das neue System funktioniert. Ebenso sind wir für Helferinnen und Helfer nach wie vor erreichbar. Es gibt weiterhin viel zu tun.

Lokallust: Wo bekommen die Helferinnen und Helfer denn zukünftig das benötigte Werkzeug her?

Marc Ulrich: Arbeitsmaterial und Werkzeug kann weiterhin an unterschiedlichen Punkten im Tal für den Einsatz ausgeliehen werden. Dorthin gehen auch unsere Materialien und Werkzeuge aus dem Camp, die mit Spenden ganz vieler Menschen beschafft werden konnten.

Lokallust: Was ist noch wichtig für die Menschen im Ahrtal?

Marc Ulrich: Dass nun etwas Normalität zurückkehrt. Wir brauchen jetzt Menschen, die wieder aus touristischen Gründen in Ahrtal kommen. Sei es für einen Wanderurlaub und bald auch wieder für den Besuch eines der vielen Weinfeste oder anderer angebotenen Events. Daher unsere Bitte auch weiterhin den Ahrtal-Store zu nutzen. Hier gibt es leckere Weine und viele Merchandising-Artikel, aus deren Gewinn wir die Menschen weiter unterstützen können.

Lokallust: Herzlichen Dank für Deine Zeit, lieber Marc. Das, was Ihr in den letzten Monaten geleistet habt, ist etwas ganz Besonderes. 250.000 helfende Hände bestätigen das. Bis bald - im Ahrtal!

www.helfer-shuttle.de
www.ahrtal-store.de

Foto oben rechts: Eine Aufnahme der ersten Stunde. Auf dem Platz entstand im weiteren Verlauf das Helfer Shuttle Camp.

Text: Christian Sklenak
Fotos: privat

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