Der Hof Hoffrogge

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Der Hof Hoffrogge

Eine Sandsteinplatte im alten Herdfeuer zeigte das wahre Alter des Hofes

Annette Hoffrogge, die Seniorin des Hofes, blickt auf ein Foto, das 1936 aufgenommen wurde. „Hier feierten die Vorfahren meines Mannes das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen des Hofes. Dass ich jeden der Abgebildeten mit Namen kenne, das habe ich Tante Lisbeth zu verdanken. Sie machte die Menschen aus der Vergangenheit für mich damit lebendig“, erzählt die 64-Jährige.
Niemand ahnte damals, dass die Geschichte des Hofes viel weiter zurückliegt. 1836, das auf dem Tennenbogen eingeschnitzte Datum, bezeichnet lediglich das Jahr des Anbaus, das ursprüngliche Wohnhaus wurde bereits 1670 fertiggestellt. „Als wir 1991 anfingen, unser unter Denkmalschutz stehendes Haus zu renovieren, stand kein Stein mehr auf dem anderen. Alles wurde nur durch das Fachwerk gehalten. Der Umbau war eine große Herausforderung, zumal unsere drei Söhne damals noch klein waren“, erinnert sich Annette Hoffrogge. „Und da die Schweinezucht zeitgleich weitergehen musste, stand irgendwo immer ein Schwein im Weg“, fährt sie lachend fort.
In all dem Renovierungs-Chaos fand Hofbesitzer Hans Hoffrogge auf einer Sandsteinplatte nicht nur das wirkliche Jahr des Hausbaus, in einer alten Truhe befanden sich auch Unterlagen über alle Vorbesitzer des Hofes. Vorsichtig breitet seine Frau die Taufbescheinigungen, Urkunden und Fotos auf dem Tisch aus. Obwohl es nur Papier ist, sind es wertvolle Schätze und so versetzen hauchdünnes Pergament und Sütterlinschrift Annette Hoffrogge und mich plötzlich in eine andere Zeit.
„Ich war so fasziniert von dem Fund, dass ich, wenn immer die Renovierungsarbeiten oder meine Familie es zuließen, in den Papieren gestöbert habe. Tante Lisbeth, die Tante meines Mannes, hat mir dabei sehr geholfen“, erinnert sich die „Ahnenforscherin“. Tante Lisbeths Mutter Antonia wurde früh Witwe und bewirtschaftete den Hof alleine mit fünf kleinen Kindern. Durch die Nähe zu ihrer starken Mutter erfuhr das kleine Mädchen damals viele Geschichten über ihre Vorfahren. Diese erzählte sie nun ihrer Schwiegernichte. „‘Wir Frauen des Hofes müssen diese Geschichten weitergeben‘, war ihr Motto“, so Annette Hoffrogge und sie fährt fort: „Tante Lisbeth wurde 1910 geboren und war somit für mich eine lebende Zeitzeugin. Unterhaltungen mit ihr waren für mich immer äußerst interessant.“

Foto oben rechts: Hofbesitzer Annette und Hans Hoffrogge

Aus Unterlagen und Gesprächen wurde die Geschichte des Hofes nach und nach deutlicher. Während des 30-Jährigen Krieges (1618 bis 1648) wurde immer mehr Land auf dem „Bonenberg“ zusammengekauft und damit die Basis für den jetzigen Pferdehof gelegt. Erfolgreich wehrten sich die damaligen Besitzer dieses Hofes gegen den Willen des Herzogs von Kleve protestantisch zu werden. Hofbesitzer Hoffrogge suchte außerhalb seines Hofes Zuflucht und kehrte erst nach drei Tagen zurück. Die Truppen waren bereits abgezogen, der Hof blieb als einziger Hof katholisch. Seine Aktion brachte der Familie jedoch nicht nur Vorteile. Taufeinträge in den Kirchenbüchern St. Agatha konnten seitdem nur nach vorheriger Genehmigung des Pfarrers aus Gahlen vorgenommen werden. „Auch die junge Elisabeth Hoffrogge durfte als katholisches Kind nicht hier bei uns zur Schule gehen. Stattdessen besuchte sie bereits mit sechs Jahren die Ursulinenschule in Dorsten. Bei einem späteren Besuch dort konnte sie mir auf den Fotos noch die Namen der Nonnen nennen, die in ihrer Tracht dort abgebildet waren“, berichtet mir Annette Hoffrogge.
Die amtlichen Unterlagen beweisen, dass der Hof von Beginn an im Besitz der Familie „Hoffroggen“ war. Zur ersten Generation gehörten Albertus und Margarethe Hoffrogge, mit Mira, Annette und Hans Hoffrogges Enkelin und damit der jüngsten Bewohnerin des Hofes, lebt nun bereits die 13. Generation hier.
Der Hof orientiert sich stets am Zeitgeschehen. So wurde in den 60er-Jahren die Rinderhaltung aufgegeben, die Schweinezucht stellten die Eheleute Annette und Hans Hoffrogge 1994 ein und spezialisieren sich seitdem mit ihren Söhnen und Schwiegertöchtern auf Pferde. Sie kreuzten ihre kaltblütigen Arbeitspferde, die bis Anfang der 60-er Jahre noch auf dem Feld arbeiteten, mit Vollblütern und erreichten seit Langem einen Namen in der Pferdehaltung.
Besonders angetan hat es mir auf dem Hof ein silberner Hengst, den ich so schön finde, dass er in jedem Märchenfilm mitspielen könnte. Bei der Fortsetzung unserer Unterhaltung im Pferdestall erfahre ich dann, dass alle Schimmel als Rappen oder Füchse geboren und erst nach und nach heller werden. Und da wir uns auf einem Pferdehof befinden, finde ich, dass dies hier durchaus eine Erwähnung wert ist.

Foto oben rechts: Annette und Hans Hoffrogge sind stolz auf Enkelin Mira

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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