Stadtteilserie: Altendorf-Ulfkotte

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Stadtteilserie: Altendorf-Ulfkotte

Altendorf-Ulfkotte: Ein Stadtteil managt sich selbst

„Altendorf-Ulfkotte ist der schönste Stadtteil Dorstens“, sind sich fast alle Altendorfer und Ulfkotter einig. Fakt ist auf alle Fälle: Er ist der südlichste der elf Dorstener Stadtteile. Woran die meisten Dorstener nicht denken, ist die Tatsache, dass Tönsholt auch ein Teil Altendorf-Ulfkottes ist. „Leider wurden daher wir in Tönsholt lange Zeit vergessen“, bedauert Claudia Temp, Bewohnerin des Stadtteils westlich der Bochumer Straße.

Eingegrenzt von Marl, Gelsenkirchen, Feldhausen, der Feldmark, dem Stadtsfeld und dem Barloer Busch ist hier „auf dem Dorf“ die Welt noch in Ordnung. „Hier kennt man sich, hier hilft man sich, hier handelt man“, bringt es Franz-Josef Breil, in Altendorf-Ulfkotte auch als wandelndes Geschichtsbuch bekannt, auf den Punkt. Handeln und Eigeninitiative wird bei den Altendorfern und Ulfkottern großgeschrieben. So beginnt Mitte des Jahres dank des Engagements des Vereins „Altendorf-Ulfkotte“ trifft sich" der Ausbau des Glasfasernetzes und ermöglicht den Altendorf-Ulfkottern damit den Zugang in die digitale Zukunft. Doch blicken wir jetzt einmal nicht die Zukunft, sondern werfen einen Blick in die geschichtliche Entwicklung des Dorfes.

Die Geschichte
Die Gemeinde Altendorf-Ulfkotte ist aus den beiden Bauernschaften Altendorf und Ulfkotte entstanden. Obwohl sie durch den Erdbach getrennt waren, gab es nie Streitereien zwischen den beiden Bauernschaften. Ein gefundenes Steinbeil in der Nähe der Hügelgräber an der B 225 lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um Begräbnisstätten handelt. Demnach war dieser Stadtteil bereits lange vor Christi Geburt bewohnt.
Urkundlich erwähnt wurde Altendorf-Ulfkotte zum ersten Mal jedoch erst im 9. Jahrhundert, anlässlich einer Schenkung des Gutes Bellinctorpe, später Bellendorf. Bevor das Gut anschließend zum Hof Föcker bzw. Schulze-Erning wurde, gehörte es zwischenzeitlich der Kirche, dem Vest Recklinghausen und schließlich geistlichen und weltlichen Herren, die ihr Land den Bauern zur Bewirtschaftung überließen. Am 1. Januar 1820  wurde Altendorf-Ulfkotte der Bürgermeisterei Marl zugeordnet, ab 1841 dem Amt Marl, allerdings blieb es selbstständig mit eigenem Gemeindevorsteher, Gemeinderat und Gemeindeetat.

Foto oben rechts:
Drescharbeiten auf dem Hof Jörgens um 1930

Tönsholt
Seit 1975 gehört Altendorf-Ulfkotte nun nicht mehr zum Amt Marl, sondern gemeinsam mit dem ehemaligen Kirchellener Ortseil Tönsholt zu unserer schönen Stadt. „Leider wurden wir in Tönsholt lange Zeit vergessen“, bedauert Claudia Temp. Im Krieg entstand in dem Waldgebiet die erste Siedlung und diente als Lager für hauptsächlich französische Kriegsgefangene. Spuren davon sind noch zu finden, dennoch fühlt sich Claudia Temp hier wohl. „Die Kinder haben viel Freiraum und wir haben alle riesige Gärten, hier lässt es sich gut wohnen“, freut sie sich, bedauert aber auch gleichzeitig, dass es dort keine Möglichkeit für Treffen verschiedener Initiativen gibt. Auch die Versuche, aus der Vergangenheit eine Infrastruktur mit einem Konsum und zwei Kneipen aufzubauen, liefen ins Leere. Heute befindet sich zumindest ein Bolzplatz für die Jugend auf dem ehemaligen Discounter-Gelände. Aber auch die Tönsholter sind nicht untätig und geben sich ihrem Schicksal nicht hin. Sie nehmen ihr Alltagsleben selbst in die Hand und stellten in Eigenregie, jedoch mit Unterstützung unseres Bürgermeisters Tobias Stockhoff, der Mr. Trucker Kinderhilfe und „Dorsten dankt dir“ Spielgeräte auf und pflegen sie weiterhin.

Foto oben rechts: Claudia Temp (l.) ist für den Ortsteil Tönnsholt im Vorstand des Vereins "Altendorf-Ulfkotte trifft sich" aktiv. Der 55-jährige Ralf Granzow wohnt von Geburt an in Tönsholt.

Altendorf-Ulfkotte trifft sich e. V.
Das Vereinsleben wird im Süden Dorstens großgeschrieben. Der Verein „Altendorf-Ulfkotte trifft sich e. V.“ wurde gegründet, um die Kräfte aller Vereine im Ort zu bündeln und somit das Dorfleben attraktiver zu gestalten, so zu lesen auf der Webseite des Vereins. Gedanklicher Vater war vor zwölf Jahren Franz-Josef Winkel. „Der Verein ist ein Zusammenschluss verschiedener Vereine vor Ort, die gemeinsam ihren Stadtteil voranbringen wollen. Vor der Vereinsgründung lief fast die gesamte Organisation über den Schützenverein“, weiß Klaus Kremerskothen, Schützenkönig aus dem Jahre 2015. Der Verein ist nur begleitend, Paten nehmen die einzelnen Projekte wie den Nistkastenbau, das Altendorfer Wintermärchen, den begehbaren Adventskalender, den „Tag des Vorlesens“, das Dorffrühstück, die Ehrenmalpflege oder die Grünpflege selbst in die Hand. Auch der Vereinsbus, der kostenlos gegen Benzinerstattung benutzt werden kann, wird von freiwilligen Bürgern dafür benutzt, um ältere Mitbürger alle 14 Tage zum Nahversorgungszentrum Händelstraße zu fahren und ihnen dort einen selbstständigen Einkauf zu ermöglichen. „Das ist der Vorteil, wenn man sich kennt“, freut sich Franz-Josef Breil. „Wir halten im Dorf nicht nur zusammen, wir vergessen auch unsere Senioren nicht.“

Foto oben rechts: Franz-Josef Breil kennt sich mit der Geschichte Altendorf-Ulfkottes aus

Allgemeiner Bürgerschützenverein 1652 Altendorf-Ulfkotte e. V.

„Seit mehr als 350 Jahren ist der Bürgerschützenverein Altendorf-Ulfkotte aktiv, durchgängig gewachsen aus der Tradition der aktiven Bürgerwehr, einer Bürgerwehr, die die Bauernschaften und den Sprengel Altendorf-Ulfkotte Mitte des 17. Jahrhunderts noch gegen marodierende Soldaten und Räuberbanden in den Nachwehen des Dreißigjährigen Krieges verteidigen musste“, so lautet das Grußwort unseres damaligen Bürgermeisters Lambert Lütkenhorst in der Festzeitschrift des Vereins.
An einer Mitgliedschaft im Schützenverein kommt niemand vorbei, wenn er Kontakte im Dorf sucht. Beim Schützenfest lautet das ungeschriebene Gesetz: Kommt der König aus Altendorf, dann kommt seine Königin aus Ulfkotte und andersherum. Amtierende Majestäten sind in diesem Jahr Dirk II. Grünheit und Nadine I. Winkel. Das Fest, das alle drei Jahre stattfindet, ist ein Magnet für weggezogene Kinder des Dorfes. „Zum Schützenfest sind alle wieder da“, freut sich Klaus Kremerskothen. Aber auch zwischen den Schützenfesten gibt es Gründe genug zu feiern: Das Stoppelfest und das Wintermärchen, das Bataillons- oder das Kinderschützenfest sind immer wieder Highlights im Dorf. Und wenn man gerade selber kein eigenes Fest feiert, so besuchen die Schützen gerne ihre Gastvereine in der Feldmark oder Frentrop. Dass dort auch mal die Frentroper Schützenstange entwendet oder eine Autoreifenschnecke aufgebaut wird, wenn der Bierausschank zu langsam ist, das gehört dann einfach mit dazu.

Foto oben rechts: Das amtierende Altendorfer Königspaar Dirk II. Grünheit und Nadine I. Winkel

Besonders am Herzen liegt den Schützen die Pflege des Kriegerdenkmals.

Da die Stadt Dorsten die notwendige Runderneuerung des Denkmals aus finanziellen Gründen nicht übernehmen wollte, sammelte der Schützenverein auf seinen diversen Festen 25.000 DM. Dieses Geld legten sie in der Restaurierung des Kriegerdenkmals an, sodass es 1997 im neuen Glanz der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Seit dem übernehmen die Schützen auch weiterhin die Pflege des Ehrenmals. 

Foto oben rechts: Die Pflege des Ehrenmals übernahm im Jahr 1997 der Allgemeine Bürgerschützenverein und führt diese auch heute noch regelmäßig durch

Die Feuerwehr

Aber auch die Freiwillige Feuerwehr ist mit 45 aktiven Mitgliedern und sechs jugendlichen Mitgliedern in der Jugendgruppe Süd neben dem Schützenverein Dreh- und Angelpunkt des Dorflebens und konnte im Jahre 2009 ihr hundertjähriges Gründungsjubiläum feiern.

Foto oben rechts: Die Gründungsmitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zum 50-jährigen Jubiläum im Jahr 1959: Johann Kleine-Besten, Franz Pump und Bernhard Föcker (v.l.)

Der große Brand 1948
Feuerwehrmann Klaus Kremerskothen kennt den großen Brand im Jahre 1958 zwar nicht aus eigener Erfahrung, aber Franz-Josef Breil kann sich noch gut dran erinnern. Alle Altendorf-Ulfkotter halfen damals beim Löschen mit und kümmerten sich anschließend um Unterkünfte für ihre wohnungslos gewordenen Nachbarn. Aber die Altendorf-Ulfkotter löschen nicht nur Brände, sie halten auch die Tradition des St. Martin-Zuges im Dorf aufrecht.

Foto oben rechts: Das alte Feuerwehrhaus mit dem Schlauchturm als Wahrzeichen. Im Jahr 2005 wurde die neue Fahrzeughalle eingeweiht und der Schlauchturm musste weichen.

Infrastruktur

Eine funktionierende Infrastruktur, wie man sie aus anderen Stadtteilen kennt, gibt es in Altendorf-Ulfkotte leider nicht mehr. Die drei ehemaligen Lebensmittelgeschäfte, die zeitgleich in Altendorf-Ulfkotte bestanden, sind verschwunden. Eine Speisegaststätte, eine Gaststätte sowie die Bäckerei Imping sind nun die drei Begegnungspunkte der Bewohner. „Zum Glück ist die Bäckerei Imping für den täglichen Bedarf gut gerüstet, sodass wir nicht immer in die umliegenden Stadtteile fahren müssen“, freut sich Klaus Kremerskothen.

Foto oben rechts: Klaus Kremerskothen wohnt gerne in Altendorf-Ulfkotte

Der Bergbau

Im Zuge des Baus der Hürfeldhalde mussten die vier Höfe Balke, Weier, Nachbarschulte-Kraß und der Gutshof Marler Heide (Hauser) umgesiedelt werden, aber der Bergbau hat weitere Spuren, besonders an Gebäuden hinterlassen und noch heute befürchten angrenzende Bauern die Senkung des Wasserspiegels.

Foto oben rechts: Der Hof Nachbarschulte-Kraß musste wie viele weitere Höfe der Hürfeld-Halde weichen

Das Wappen

Bis 1986 besaß die Gemeinde kein Wappen. Erst ein Jahr später entwarf Claudia Dalhaus das jetzige Stadteilwappen. „Aldendorpe und Huselar“ wie Altendorf-Ulfkotte im 9. Jahrhundert genannt wurde, leitet sich vom „Hulseler“ und von „Wulfs Kotten“ ab. Die silberne Hülsekrabbe, auch Ilex genannt, deutet auf den einstigen Namen hin, die Pflugschar ist kennzeichnend für den ländlichen Charakter Altendorf-Ulfkottes. Die Welle, die die beiden Symbole teilt, stellt die Trennung zwischen Altendorf und Ulfkotte durch den Erdbach dar.

Foto oben rechts: das Wappen des Stadtteils Altendorf-Ulfkotte

Eckpunkte in der Geschichte

1652: Gründung des AllgemeinenBürgerschützenvereins Altendorf-Ulfkotte e.V.
1766: Bau des „Gahlenschen Kohlewegs“, der späteren B 224
1909: Gründung der Freiwilligen Feuerwehr
1922: Anschluss an das Stromnetz
1964: Gründung Sportverein SV Altendorf-Ulfkotte
1966: Bau des Kindergartens
1966: Bau der Kardinal-von-Galen Schule
1973: Bau des Friedhofs
1973: Bau der neuen kath. Kirche
1975: Eingemeindung zur Stadt Dorsten (vorher Stadt Marl)
1980: Gründung Tennisclub TC 80 Altendorf-Ulfkotte
1989: Bau der Mehrzweckhalle
2020: Glasfaserausbau

Foto oben rechts: Gefeiert wurde in Altendorf-Ulfkotte schon immer gerne. Wald- und Sommerfest am 13. Mai 1934 auf dem Hof von Johann Mengede. Die Bewirtung übernahm Johann Kremerskothen.

GPS Koordinaten: 51°38'8.862" N-7°0'47.2"E
Fläche gesamt 1165,41ha, Wohnfläche 39,88 ha, Industrie- und Gewerbefläche 227,97 ha
Grundschule: Agathaschule Teilstandort Altendorf-Ulfkotte (ehemalige Kardinal-von-Galen-Schule)
Kindergarten: HeiligKreuz
Kirche: KatholischePfarrei St. Agatha, Gemeinde Heilig Kreuz und Evangelische Kirchengemeinde

Foto oben rechts: Die alte katholische Kirche im Jahr 1938, heutiges evangelisches Gemeindezentrum

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat
Quellen: Stadt Dorsten, Chronik 350 Jahre Schützen in Altendorf-Ulfkotte, Chronik 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Altendorf-Ulfkotte und www.altendorf-ulfkotte.de

 

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