Lokallust Dorsten - page 9

23. Juli 2016 Damals in Dorsten
Jahrhundertelang war die Lippe
der Schicksalsfluss Dorstens: Als
Verkehrsweg war die Wasserstra-
ße schon in römischer Zeit be-
kannt, aber seit dem Mittelalter
sicherte sie der kleinen Hanse-
stadt Wohlstand durch Brücken-
und Wegezölle.
Denn zwischen
Haltern und Wesel gab es keinen
vergleichbaren
Lippeübergang.
Das spülte der Stadt Dorsten nicht
nur Geld in die Kasse, sondern
sorgte auch regelmäßig für unge-
betenen Besuch in Form fremder
Heere. Vor rund einhundert Jah-
ren begann sich dann die Wasser-
landschaft rund um Dorsten für
zu immer verändern – zum Fluss
gesellte sich der Kanal.
Es war wohl ein Omen, dass
eines der ersten Kinderbilder den
späteren Kaiser Wilhelm II. mit
einem Spielzeugboot zeigt. Ne-
ben der riesigen Hochseeflotte,
von der heute nur noch die nie
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Straßen aus Wasser
abgeschaffte Sektsteuer zu ihrer
Finanzierung übrig geblieben ist,
wirkt die Binnenschifffahrt zwar
geradezu unbedeutend und klein.
Dennoch überqueren die meisten
Dorstener ständig eines der in der
Kaiserzeit angestoßenen Projekte
– den Kanal.
Kanäle und Wasserstraßen ge-
hörten nämlich im ausgehenden
19. und beginnenden 20. Jahr-
hundert neben der Eisenbahn zu
den am eifrigsten vorangetrie-
Damals in Dorsten
benen Infrastrukturmaßnahmen
im Ruhrgebiet. Die in zuvor unge-
kannter Menge geförderte Kohle in
Verkehr zu bringen, drohte schon
bald die örtlichen Eisenbahnen
zu überlasten. Gleichzeitig sollten
die weiter vom Rhein entfernten
Stahlwerke im östlichen Ruhrge-
biet besser beliefert werden kön-
nen. Was die Züge nicht schaff-
ten, sollten daher Binnenschiffe
auf neuen, breiten Wasserwegen
übernehmen – den Kanälen.
Schon 1899 konnte Kaiser Wil-
helm II. als ersten von ihnen den
Dortmund-Ems-Kanal einweihen.
1906 nahm die Kaiserliche Kanal-
baudirektion in Essen ihre Arbeit
auf, um weitere Wasserstraßen zu
errichten. Eines der Projekte war
der Lippe-Seitenkanal, der heute
vom Wesel-Datteln- und vom Dat-
teln-Hamm-Kanal gebildet wird.
Er sollte die zu erwartende Nord-
wanderung des Bergbaus unter-
stützen. 1915 ging es trotz des be-
reits tobenden Ersten Weltkrieges
los, aber wegen der immensen
Kosten pausierten die Bauarbei-
ten bereits im folgenden Jahr. Der
Wandel in der Dorstener Land-
schaft zeichnete sich aber bereits
unverkennbar ab: Die Lippe wurde
rund einen halben Kilometer nach
Norden in ein neues Bett verlegt,
was vor allem bei heimatverbun-
denen Bürgern nicht immer auf
Zustimmung stieß. Unumstritten
war bei der Wiederaufnahme der
Bauarbeiten ab 1924 immerhin,
dass man bei der Einweihung auf
kaiserlichen Besuch wohl verzich-
ten würde – denn die Weimarer
Demokratie hatte Einzug gehal-
ten. In nur sechs Jahren wurden
nun 18 Millionen Kubikmeter Erde
bewegt, die Lippe umgebettet
und der neue Kanal mit seinen
Brücken fertig gestellt.
Am 2. Juni 1930 stieg Dorstens
Bürgermeister Franz Lürken fröh-
lich zu seinem Weseler Amtskol-
legen in ein Dampfschiff, um da-
rauf zur Eröffnung von Wesel aus
feierlich nach Dorsten zu tuckern.
Der Jubel bei der Ankunft ließ sie
fast vergessen, dass der Bau mit
rund 100 Millionen Reichsmark
fast doppelt so teuer wie geplant
geworden war. Von denmodernen
Brücken, die noch in den 30er Jah-
ren über den Kanal führten, sollte
keine den Krieg überleben. Der
Kanal allerdings bleibt Dorsten
bis auf weiteres erhalten – auch 86
Jahre nach seiner Eröffnung.
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