Teamarbeit bei der Wiederbelebung

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Teamarbeit bei der Wiederbelebung

Die Reanimation – sieben Minuten, um Leben zu retten

Sie sitzen mit Ihrem Familienangehörigen oder einem Freund gemütlich bei Ihnen Zuhause. Sie gehen kurz in die Küche, kommen zurück und sehen, wie Ihr Gegenüber zusammengesackt in seinem Stuhl sitzt. So eine Situation möchte niemand erleben, und doch geschieht sie alleine in Deutschland mehr als 50.000 Mal jährlich außerhalb eines Krankenhausaufenthaltes. Ohne Vorwarnung.

Herzstillstand! Ab jetzt haben Sie sieben Minuten Zeit. Sieben Minuten, um ein Leben zu retten. Sieben Minuten, um die Zeit zu überbrücken, bis professionelle Hilfe kommt. „Diese Minuten entscheiden über Leben und Tod des Patienten“, so Dr. Tobias Gelleschun, Anästhesist am Dorstener Krankenhaus, „denn durch eine effektive Wiederbelebung könnten mehr Menschen jährlich in Deutschland gerettet werden.“ Gemeinsam mit Dominic Zientek, Koordinator im Rettungsdienst der Dorstener Feuerwehr, beschreibt der Anästhesist die Reanimation durch Ersthelfer sowie der professionellen medizinischen Versorgung im Rettungswagen und der ärztlichen Weiterbehandlung im Schockraum des Dorstener Krankenhauses.

Foto oben rechts: Teamarbeit bei der Wiederbelebung:  Dr. Tobias Gelleschun und Dominic Zientek

Zwei Drittel der Herz-Kreislauf-Stillstände geschehen im häuslichen Umfeld. Sie kündigen sich nicht an, der Betroffene wird bewusstlos und hört auf zu atmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in Situationen wie diese kommen und den Patienten kennen, ist ziemlich hoch. Jetzt heißt es: einen kühlen Kopf bewahren und versuchen, das Leben des Menschen zu retten.

Ruhe bewahren, das sagt sich so leicht, ist aber in so einer Stresssituation nicht einfach. Plötzlich ist der eigene Kopf leer, vieles ist vergessen und aus Angst etwas falsch zu machen, reagieren viele Anwesende nicht und hoffen auf professionelle Hilfe. „Falsch ist nur, nichts zu machen“, weist Dr. Tobias Gelleschun darauf hin, dass eine eventuelle gebrochene Rippe bei einer Herzmassage das weitaus kleinere Problem in dieser Situation ist. „Auch juristisch brauchen Ersthelfer nichts zu befürchten, denn sie handeln in bester Absicht.“

Die Wiederbelebungsmaßnahmen sind zum Glück vereinfacht worden. „Mittlerweile wird empfohlen, direkt mit der Herzdruckmassage zu beginnen und eine Atemspende nur noch dann vorzunehmen, wenn man es wirklich gelernt hat“, bemerkt der Anästhesist und Notarzt. „Das hat nicht nur hygienische Gründe und verhindert eine eventuelle Ansteckung des Ersthelfers, selbst wir als Profis können ohne Hilfsmittel nicht immer erfolgreich beatmen“, bekräftigt Dominic Zientek die Aussage seines Kollegen.

Foto oben rechts: Dominic Zientek behandelt einen "Patienten" im Rettungswagen

Und so gehen Sie vor: „Prüfen – Rufen – Drücken“
Atmung überprüfen, Rettungsdienst unter 112 anrufen, Brustkorb drücken.

Im europaweiten Vergleich schneiden wir hinsichtlich der Wiederbelebung extrem schlecht ab und belegen die hinteren Plätze. Nur jeder dritte Patient mit einem Herzstillstand wird reanimiert. So sterben jährlich Tausende Menschen und das Herz-Kreislauf-Versagen ist damit die Todesursache Nummer drei in Deutschland. Um das zu verhindern, gab es Mitte September erneut die bundesweite Woche der Wiederbelebung „Ein Leben retten – 100 Pro Reanimation“. 100 Pro, das bedeutet den Brustkorb fünf Zentimeter tief einzudrücken. Mindestens 100 Mal in der Minute nach dem Takt von „Staying Alive” der Bee Gees. Dabei sollten Sie sich möglichst alle zwei Minuten mit jemandem abwechseln.

Einen Erfolg zeigten diese bundesweiten Aktionen recht schnell, denn die Zahl der ausgeführten Reanimationen von lediglich 19 Prozent im Jahre 2012 stieg fünf Jahre später bereits auf 42 Prozent. Um diese Zahl noch weiter zu erhöhen, setzte sich Dr. Tobias Gelleschun als Organisator der Initiative „Schüler retten Leben“ in Dorsten ein und schulte mehr als 50 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums St. Ursula samt ihren Lehrern gemeinsam mit seinen Kollegen und den Fachpflegekräften des Dorstener St.-Elisabeth-Krankenhauses sowie von Notfall-Sanitätern der Feuerwehr Dorsten in Theorie und Praxis.

„Wir verbrauchen beim Atmen lediglich 25 Prozent unseres Sauerstoffs, die restlichen 75 Prozent befinden sich weiterhin in unserem Körper“, erklärt der Dorstener Intensivmediziner. „Bei einem Kreislaufstillstand kommt es nach 15 Sekunden zur Bewusstlosigkeit und unmittelbar danach zum Atemstillstand. Dadurch gelangt kein Sauerstoff mehr zu den wichtigen Organen und ins Gehirn. Wird nun nicht mit der Wiederbelebung begonnen, so liegt die Überlebensrate bei unter zehn Prozent.“ Notfallsanitäter Dominic Zientek ergänzt: „Die 75 Prozent Sauerstoff, die sich in unserem Körper befinden, müssen daher kontinuierlich bei der Reanimation durch den Körper gepumpt werden. So verdoppeln oder verdreifachen sich die Überlebenschancen der bewusstlosen Person. Innerhalb von sieben Minuten sind wir in der Regel dann auch mit einem Rettungswagen vor Ort und übernehmen die weitere Versorgung.“

Foto oben rechts: Die Beatmung des Patienten übernehmen im Krankenhaus lebensrettende Maschinen

Bei einem Atemstillstand fahren immer ein Notarzt, ein Notfallsanitäter und je zwei Rettungssanitäter zum Einsatzort. Sie bringen den bewusstlosen Patienten in den Schockraum des Krankenhauses, wo sie bereits von einem spezialisierten Team erwartet werden. „Nach der Übergabe des Patienten durch den Notarzt an den Notfallmediziner des Schockraums, ist unsere Arbeit eigentlich beendet und wir bereiten uns auf den nächsten Einsatz vor“, so Dominic Zientek. „Aber wenn wir noch gebraucht werden, weil im Moment alle medizinischen Kräfte im Einsatz sind, dann bleiben wir vor Ort und helfen natürlich bei der weiteren Versorgung des Patienten mit“, fährt er fort.

„Nach der Übergabe des Patienten arbeitet das Team mögliche Ursachen füreinen Kreislaufstillstand strukturiert ab“, erklärt Dr. Gelleschun nun den weiteren Ablauf im Schockraum. Hier ist die Reihenfolge etwas anders als bei der Wiederbelebung im Rahmen der Ersten Hilfe. Hier gilt die Grundregel: „Treat first what kills first. Behandele zuerst, was zuerst töten könnte”. Das eingespielte Krankenhausteam versucht dabei den Patienten so weit zu stabilisieren, dass er auf die (Intensiv)-Station verlegt werden kann.

Durch die „Vorarbeit“ der Ersthelfer werden die Überlebenschancen entscheidend verbessert. Zögern Sie daher im Notfall nicht. Reagieren Sie schnell und beherzt und retten dadurch vielleicht ein Leben.

Foto oben rechts: Hier im Schockraum behandelt Intensivmediziner Dr. Tobias Gelleschun seine Patienten

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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