„Der Wald ist mein Jungbrunnen“

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

„Der Wald ist mein Jungbrunnen“

Mit Klaus Paulokat zurück in Dorstens Steinzeit

„Ich bin ein Tier- und Naturfreund“, sagt Klaus Paulokat von sich selbst. Wer mit ihm durch die Dorstener Wälder streift, braucht Zeit, viel Zeit und sollte gut zu Fuß sein. Glücklicherweise schenkte mir mein Wanderguide Paulokat gleich zu Beginn einen von ihm selbst geschnitzten Wanderstab, den ich eine halbe Stunde später nicht mehr missen wollte. Der Lohn der ganzen Mühe: Viele Eindrücke und eine Menge Wissen rund um Dorstens Flora, Fauna und Geschichte.

Der 76-Jährige hat stets ein Auge auf die Natur generell, insbesondere aber auf Dorstens Pflanzen- und Tierwelt in den Wäldern rund um Deuten und Freudenberg, wobei sein Augenmerk mehr auf Tieren liegt. Er befreit die, die sich in einem Zaun verfangen haben, dreht auf dem Rücken liegende Käfer um, weist aber auch hin und wieder grillende Jugendliche bestimmt aber freundlich auf die Walbrandgefahr hin.

Klaus kümmert sich allerdings auch um Menschen, die seine Hilfe brauchen. So traf er bei seinen Waldspaziergängen einige Menschen, deren Schicksale er sich anhörte und die ihn noch bis heute sehr berühren. Dabei hatte er es in jungen Jahren selbst nicht leicht. Im Alter von sechs Jahren machte er sich mit seiner Mutter auf, von Schlesien nach Gelsenkirchen-Scholven, dem Heimatort seines Vaters, der als Pilot in Gefangenschaft geriet. Nicht nur auf der Flucht, auch als seine Mutter Arbeit auf einem Gutshof fand, war er stets für seine beiden kleineren Geschwister da. Auch seine Mutter pflegte Klaus Paulokat bis zu ihrem Tod. „Das war für mich selbstverständlich, schließlich habe ich ihr ja alles zu verdanken, was mich ausmacht.“

Foto oben rechts: Naturbursche Klaus Paulokat

Von klein auf lernte der Naturbursche die Natur kennen. „Wir hatten ja nicht viel, also lernte ich das, was die Natur hergab, zu schätzen und zu schützen“, so der Holsterhausener. Noch heute sammelt er auf seinen täglichen Waldgängen Wildkräuter wie Giersch, Knoblauchrauke, Brennnesseln und Löwenzahn für einen schmackhaften Salat, Steinpilze und Rotkappen sowie Heidel- und Preiselbeeren, Holunder und die kleinen aromatischen Walderdbeeren für einen hochprozentigen Aufgesetzten. Mit leeren Händen kommt er nie zurück, Klaus kennt die Stellen, an denen die besten Beeren wachsen und jedes Jahr die schönsten Pilze zu finden sind.

Seine täglichen Touren durch Deutens Wälder, das Deutener Moor, die Emmelkamp und den Erler Dreh dauern etwa drei Stunden und hinter fast jeder Wegbiegung bleibt er stehen und weiß etwas zu erzählen: über die „alte Dame“, den mächtigen frei stehenden Baum auf der Anhöhe, dem magische Kräfte zugeschrieben werden, über den Hexenbaum, an dem im Mittelalter Frauen als Hexen verurteilt wurden, über die Sanddünen mit zahlreichen versteinerten Herzmuscheln, Relikten aus früheren Zeiten, als Holsterhausen noch am Nordseestrand lag.
Klaus erzählt weiterhin von den Arbeitern, die die Wälder um die jetzige B58 herum aufforsten mussten, damit die Bäume die Wanderdünen aufhalten sollten, die ansonsten die umliegenden Felder der Bauern versandet hätte. Und plötzlich befinden wir uns mitten in der Steinzeit mit Mengen von bearbeiteten Feuersteinen, gut erhaltenen Speerspitzen oder kleinen Äxten, die Wildschweine ans Tageslicht buddelten: Das ist Dorstens Geschichte, im wahrsten Sinne des Wortes zum Greifen nah.

Foto oben rechts: Eine kleine Axt aus Feuersteinen

Aber auch Steine sind überall auf und neben den Wegen zu finden. „Die Versuchung ist sicherlich groß, die Waldwege zu verlassen“, beginnt der junggebliebene Holterhausener, „aber ich bitte alle Spaziergänger darum auf den Wegen zu bleiben, der Tier- und Pflanzenwelt zuliebe“, fährt er fort. (Rosen-) Quarze, Turmaline und viele weitere, teils merkwürdig geformte Steine fielen ihm im Laufe der Jahre ins Auge und zieren nun seinen Vorgarten in Holsterhausen. Dort ist der tretrollerfahrende Vater dreier Söhne bestens bekannt.

Klaus kennt die Brotmannshöhle in der Emmelkämper Mark, weiß, dass die großen Steinplatten im Wald Reste gesprengter Bunker sind, und kennt sogar den Namen des Tores neben der Bundesstraße: Klotschentor. Wer seit mehr als zwanzig Jahren unterwegs ist, der kennt die Wälder und seine Geschichte(n) – und der bekommt auch regelmäßig einen der bis zu 70 Zentimeter großen Uhus zu sehen. Seit 20 Jahren beobachtet der Tierfreund die scheuen Tiere und ist immer noch begeistert.

Foto oben rechts: Ein seltener Fund: ein Stein mit eingeritztem Motiov aus längst vergangenen Zeiten

Klaus Paulokats Leben ist und war alles andere als langweilig. Das, was der Schlosser- und Chemiemeister in seinen 76 Lebensjahren erlebte, reicht fast schon für zwei Leben: So war er Hobbyfotograf und Sportschütze, Sammler diverser Fotoapparate, ehemaliger Besitzer eines eigenen Angelteiches mit privater Räucherei im Meerfelder Bruch, 1980 Hauptdarsteller in einer TV-Dokumentation über seine Nachzucht bedrohter endemisch lebender Echsen in Madagaskar, Ziehvater für aus dem Nest gefallene Eichhörnchen, Krähen oder Käuze und nicht zu vergessen: Pächter eines Grundstücks in Gescher. Unermüdlich bepflanzten seine Frau Ulla und er dort vor Jahren die Ränder der wassergefüllten Sandgrube, setzten Fische ein und pflanzten im Umfeld Baum um Baum an und schufen sich so ein wahres Paradies.

„Arbeit und Natur sind meine Jungbrunnen, die mich geistig und körperlich fit halten“, bemerkt der aktive Dorstener. „Aber wir achten auch auf unser Essen, so nutzen wir beispielsweise statt raffiniertem Zucker Honig und Rohrzucker, essen Wildkräuter und Aroniabeeren und auf meinem täglichen Weg lasse ich mir, wenn die Zeit dafür da ist, eine Handvoll süßer reifer Wacholderbeeren schmecken.“

Klaus Paulokat teilt sein Wissen gerne mit anderen Menschen. Jeder, der mag, kann ihn daher gerne auf seinen Touren ansprechen und ihn begleiten.

Foto oben rechts: Mit geübtem Blick prüft Klaus Paulokat die Umgebung

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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