Lokallust Dorsten - page 10

Nach Jahren der chronischen
Entzündung habe ich mir vor ein
paar Tagen die Mandeln raus-
nehmen lassen. Ja, langweilig,
geplanter Routineeingriff, jede
Menge leckeres Eis, ich weiß,
was Sie jetzt denken. Ich habe ja
genau das Gleiche gedacht. Da
es aber der erste Krankenhaus-
aufenthalt seit der Geburt, der
meinigen, werden sollte, war ich
nichtsdestotrotz ein bisschen
aufgeregt.
Wir befinden uns in der Uni-
versitätsklinik Essen. Ich bin
in ein dem Aussehen nach
zu
urteilen 1994 von einem D
ada-
isten geschneidertes OP-He
md
geschlüpft, werde in meinem
Bett liegend in den Mandelent-
fernungsbereich geschoben und
komme mir furchtbar dekadent
dabei vor. Ich bedankemich tau-
sendmal beim Personal für die-
sen völlig gängigen Chauffeurs-
service und werde von einem
belustigten Pfleger gefragt, ob
ich bereits vom Narkosemittel
gekostet habe.
Im OP-Bereich wechselt dann
das Personal. Man wundert sich
über meine vielen Vornamen,
die am Bettende vermerkt sind
und die ich ansonsten sehr ge-
heim halte. Dann fragt man
mich, ob ich eine Beruhigung-
stablette möchte. Da weder
meine Vornamen noch meine
Nervosität Tabletten erforder-
lich machen, lehne ich dankend
ab. Daraufhin werde ich verka-
belt, bekomme einen Zugang
gelegt und wechsele vom Bett
auf den OP-Tisch. Dort schnallt
man mich fest. Das
ist mir ni
cht
ganz geh
euer. Und schon atme
durch ein
e Maske und entgleite
Sekunden s
päter ins vielzitierte
Reich der Träu
me.
Wie unspekt
akulär, denke ich
und merke, dass ich schon im
Aufwachraum liege. Ich höre,
wie die Schwestern sich mitlei-
dig über meine diversen
Vo
r-
namen unterhalten.
Mir kann
allerdings
nichts die Laune
verderben, ich bin glückselig
und könnte Bäume ausreißen.
„Wann gibt’s Frühstück“, denke
ich dass ich sage. In Wirklichkeit
kommt aber wohl nur so was
wie „Wanni-Hühü?“ aus meinem
Mund. Die darauffolgenden Tage
bleibe ich noch zur Beobach-
tung im Krankenhaus, ich lerne,
wieder normal zu sprechen und
ich freue mich, dass ich kaum
Schmerzen habe. Essen kann
ich mit erstaunlicher Leich-
tigkeit. Natürlich auch mein
Lieblingswassereis der Marke
Bussi. Die Ärzte sind zufrieden,
der junge Mann mit den vielen
seltsamen Vornamen wird eh-
renhaft entlassen. Im eigenen
Bett bekomme ich dann aller-
dings doch Schmerzen. Das hat
zur Folge, dass mir weder Trank
noch Schmaus schmecken wol-
len und ich ein bisschen traurig
werde. Das Hauptrisiko bei einer
Mandel-OP sind di
e eventue
llen
Na
chblu
tungen. Sie kommen
bei zehn Prozent der Leute
meines Alters vor. ‚Wäre es nicht
so eine gefährliche und una
nge-
nehme Angelegenhe
it, an dieser
Stelle des Körpers zu
bluten,
würde ich mich echt geehrt
füh-
len, mich zu diesem exklusiven
Kreis zählen zu dürfen‘, denke
ich
noch kurz vorm Einschlafen.
Kurze
Zeit später bekomme ich
im Schla
f Nachblutungen.
Um
ein Uhr morg
ens beme
rke ich es
irgendwie.
Also ab in die Notaufnahme
des Prosper-Hospitals Reckling-
hausen. Es folgt die stationäre
Aufnahme, einige Sauereien mit
Blut, die zu beschreiben ich Ih-
nen hier erspare und schlaflose
Stunden für mich und meine
Mutter, die neben mir wacht.
Um zehn Uhr morgens ist
klar: Ich muss notoperiert wer-
den, um nicht noch mehr Blut
zu verlieren. Das passiert auch
umgehend. Ich bin der festen
Überzeugung, dass ich jetzt ein
Vollnarkosen-Profi bin und be-
nehme mich im OP auch genau-
so. Ob man die Räumlichkeiten
Krankenhaus-Edition
10
Dienstag ist Familientag
50 Jahre
Hähnchen Finke
1966 - 2016
Grillhähnchen Chilibird
1/2 Grillhähnchen
mit pikanter
Sweet-Chili-Sauce
5,
85
„Currywurst
Pommes“
„Kleines
Schnitzel
mit Pommes“
in der Kultschale
auf dem Kultteller
(Sauce zur Auswahl)
5,
15
4,
15
nicht mal in wärmeren Farben
streichen könnte, frage ich. Ich
sähe da in rauer Menge Mög-
lichkeiten zur Umgestaltung,
sage ich. Außerdem gratuliere
ich dem operierenden Arzt wie
einem alten Freund, dass er sich
dieses fantastische After Shave
zugelegt hat (Sauvage von Dior)
und lache gemeinsam mit dem
Team um mich herum über mei-
ne
vielen crazy Vornamen. Zehn
Se
kunden später bin ich weg.
Zeitraffender Schnitt. Es ist
zwölf Uhr dreißig. Ich kann von
mir behaupten, zum ersten Mal
im Leben ganz dicht zu sein: Die
Wunde ist geschlossen!
Herbert, der mit mir auf
ein
em Zimmer liegt, „Zucker“
hat und gestern fünfundsech-
zig geworden ist (Glückwunsch
noch mal), findet die richtigen
Worte für meine Situation: „Ja
ker, Fritz, manchma' ist dat so.
Sechzichtausen’ auf Schalke
und wer kricht den Ball annen
Kopp? Du!“
Jetzt ist jedenfalls wieder
alles in Ordnung. Ich möchte
mich hiermit noch einmal aufs
Herzlichste beim Personal bei-
der Krankenhäuser, bei meinem
HNO-Arzt Ernie und all denen
bedanken, die mich besucht
und bespaßt haben. Erklärt
mich für verrückt, aber ich wür-
de das alles jederzeit wieder ge-
nauso machen.
Der Patient – Jakob Ludwig
Fritz Mandels-Ohn Bartholdy
© Orlando Florin Rosu/
Fotolia.com
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